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Zittern um Fukushima: Techniker kämpfen weiter

Unread postMessage posted...: Wed 16. Mar 2011, 21:04
by Thomas
Erdbeben, Tsunami, Atom-Katastrophe - jetzt auch noch Hunger und bittere Kälte. In den Trümmerlandschaften im Norden Japans herrschen apokalyptische Zustände.

Während 50 Techniker im AKW Fukushima unter Einsatz ihres Lebens gegen das Inferno kämpfen, müssen 430 000 Menschen in Notquartieren ausharren. Der Wintereinbruch behindert die Rettungsarbeiten, vielerorts werden die Lebensmittel knapp.

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Die Zahl der registrierten Todesopfer stieg offiziell auf über 4300. In Berlin wird darüber gestritten, ob es für die vorläufige Abschaltung von acht AKW eine Rechtsgrundlage gibt.

Explosionen und plötzliche hohe Strahlung zwangen die letzten 50 Techniker im AKW Fukushima am Mittwoch zwischenzeitlich zum Rückzug. Die Strahlung sowie böiger Wind verhinderten Einsätze von Hubschraubern, die Wasser und Borsäure auf den havarierten Reaktor 4 hätten schütten sollen. In der Nacht zum Donnerstag (Ortszeit) wurden Löschkanonen zur Kühlung der Brennstäbe in Stellung gebracht.

Am Mittwochmorgen war im Reaktor 4 ein weiteres Feuer ausgebrochen, zudem stieg Rauch oder Dampf auf. Wieviel Strahlung freigesetzt wurde, ist unklar. Ein unbemanntes Flugzeug des US-Militärs soll mit seinen hochauflösenden Kameras mehr Klarheit über das Innere der havarierten Atomreaktoren bringen. Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) Yukiya Amano nannte die Lage «sehr ernst». Er will schnell nach Japan fliegen.

Der Einsatz der Techniker in Fukushima wird von höchster Stelle verlangt: Die japanische Regierung warnte den Betreiber Tepco scharf davor, das AKW aufzugeben. «Sie müssen entschlossen sein, das zu lösen», zitierte die Agentur Kyodo Premierminister Naoto Kan. Die Arbeiter setzen laut Experten ihr Leben aufs Spiel.

Bei allen Hiobsbotschaften gab es auch positive Nachrichten: Die Schutzhülle des Reaktors 3 sei - entgegen erster Annahmen - nicht erheblich beschädigt, teilte die Regierung mit. Aber in den Blöcken 1 und 2 liegen die Brennstäbe bereits teilweise frei, was die Gefahr einer Kernschmelze erhöht.

Die 240 Kilometer südlich von Fukushima liegende 35-Millionen-Metropole Tokio wurde am Mittwoch von höherer Strahlung verschont. Das Außenministerium in Berlin rät Deutschen im Großraum Tokio-Yokohama, die Region vorübergehend zu verlassen.

Wie ernst die Lage ist, zeigte eine Fernsehansprache von Kaiser Akihito, der sich nur selten zeigt. «Ich hoffe aufrichtig, dass die Menschen diese schreckliche Zeit überstehen werden, indem sie sich gegenseitig helfen», sagte er. Für die Opfer der Katastrophen will die japanische Bauwirtschaft in den kommenden Tagen mehr als 32 000 Behelfsunterkünfte errichten.

Die vorläufige Abschaltung von acht Atomkraftwerken in Deutschland steht für Koalitionspolitiker und Opposition rechtlich auf wackeligen Füßen. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) bezweifelt, dass die Abschaltung ohne Zustimmung des Bundestags zulässig ist. Dazu sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel in «RTL Aktuell»: «Die Länder haben jetzt einfach veranlasst, dass hier die älteren sieben Kernkraftwerke stillgelegt werden für den Zeitraum von drei Monaten, und damit bedarf es keiner Befassung des Deutschen Bundestages, weil es ein bestehendes und vom Deutschen Bundestag beschlossenes Gesetz ist.» China legte am Mittwoch überraschend die Genehmigungsverfahren für alle Atomprojekte auf Eis.

Die Atomkatastrophe in Japan hält die Finanzmärkte weiter in Atem: In den vergangenen Tagen wurde bereits die unvorstellbare Summe von über einer Billion Euro an der Börse verbrannt. Der Dax schloss den sechsten Tag in Folge im Minus und sank um 2,01 Prozent auf 6513,84 Punkte. (Quelle: Tokio/Berlin (dpa/lby))