Page 1 of 1

Chirac-Prozess auf Juni vertagt

Unread postMessage posted...: Tue 8. Mar 2011, 21:59
by Thomas
Der Veruntreuungs-Prozess gegen Frankreichs Ex-Präsident Jacques Chirac ist auf Juni vertagt worden. Bis dahin soll über eine Verfassungsfrage entschieden werden, die der Anwalt eines Mitangeklagten vorgebracht hatte. Das teilte der Richter am Dienstag in Paris mit.

Der 78 Jahre alte Chirac erklärte umgehend, dass er zum neuen Termin selbstverständlich vor Gericht erscheinen werde.

Image

Sein Anwalt Jean Veil gab allerdings zu bedenken, dass der Prozess dann mit dem Wahlkampf für die Präsidentschaftswahl 2012 zusammenfallen werde.

Chirac war seit Prozessbeginn am Montag nicht persönlich vor Gericht erschienen. Er ist wegen einer Veruntreuungsaffäre aus seiner Zeit als Bürgermeister von Paris in den 90er Jahren angeklagt. Er soll sieben städtische Jobs an Leute vergeben haben, die faktisch für seine RPR-Partei arbeiteten. In 21 weiteren Fällen geht es um Gefälligkeitsjobs für politische Freunde und Günstlinge.

Es ist das erste Mal, dass ein Verfahren gegen einen französischen Ex-Präsidenten eröffnet wurde. Neben Chirac sind neun weitere Menschen angeklagt, die die Pseudo-Jobs mitverantwortet oder davon profitiert haben sollen.

Einer von ihnen zweifelte über seinen Anwalt nun die Verfassungsmäßigkeit des Verfahrens an. Er argumentiert, dass die mutmaßlichen Straftaten verjährt seien. Tatsächlich wurde die Verjährungsfrist für einen Teil der Fälle verlängert, da die Richter zwei ursprünglich einzelne Verfahren zusammengelegt haben.

Das Kassationsgericht hat nun drei Monate Zeit, um zu entscheiden, ob der Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit berechtigt ist. Die letzte Instanz ist der Verfassungsrat. Das rechtliche Mittel einer Verfassungsfrage existiert in Frankreich erst seit vergangenem Jahr - und erweist sich für Chirac möglicherweise als ein Rettungsanker. Seine Anwälte betonen allerdings, dass er die Verfassungsfrage nicht vorgebracht habe und auch nicht darauf aus sei, auf Zeit zu spielen.

Der Prozess findet ein gewaltiges Medienecho in Frankreich. Obwohl Chirac seit seinem Abschied aus der Politik eine der beliebtesten Persönlichkeiten ist, sprach sich in Umfragen eine Mehrheit dafür aus, ihn vor Gericht zu stellen. Allerdings äußerten sich in den vergangenen Tagen auch viele Politiker, die das Gerichtsverfahren für überflüssig erklärten.

Da die Stadt Paris als Hauptgeschädigte nach einer Entschädigungszahlung ihre Klage zurückgezogen hatte, traten mehrere Privatpersonen und Lobbyorganisationen als selbst ernannte Nebenkläger auf - unter ihnen solche mit fantasievollen Namen wie «Sarkozy existiert nicht» oder «Gegen die Justizmafia». (Quelle: Paris (dpa/lby))