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Iranischer Film ist Bären-Favorit

Unread postMessage posted...: Sat 19. Feb 2011, 00:06
by Thomas
Jetzt hat die Berlinale-Jury die Qual der Wahl: Am Samstagabend wird der Goldene Bär der 61. Internationalen Filmfestspiele Berlin vergeben - das iranische Familiendrama «Nader und Simin, Eine Trennung» ist unbestrittener Favorit.

Ob die internationale Jury unter Vorsitz der italienischen Schauspielerin Isabella Rossellini sich aber für diesen vom Festivalpublikum gefeierten Film entscheiden wird, ist völlig offen.

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Der um Schuld und Vertrauen kreisende Film des in Teheran lebenden Regisseurs Asghar Farhadi beeindruckte Kritiker wie Kinozuschauer gleichermaßen. Doch schon oft hat die Berlinale-Jury eine Entscheidung gegen den Publikumstrend gefällt. Schon zu oft haben Außenseiter-Filme das Rennen gemacht, die zum Teil nie ihren Weg in die internationalen Kinos fanden.

Kritik gab es in diesem Jahr auch an der Filmauswahl von Berlinale-Direktor Dieter Kosslick. Im mit 16 Filmen ausgesprochen schmalen Wettbewerbsprogramm seien zu viele nicht überzeugende Regiearbeiten, darunter zahlreiche Debütfilme, hieß es. Nach Jahren mit großem Starrummel war auch der Glanz auf dem roten Teppich dieses Mal schwächer. Hollywoodschauspieler Liam Neeson war am Freitag erst gar nicht mehr zur Vorstellung seines außer Konkurrenz laufenden Thrillers «Unknown Identity» erschienen.

Nachdem Farhadis regimekritischer Landsmann Jafar Panahi wegen einer Gefängnisstrafe seinen Platz in der Berlinale-Jury nicht einnehmen konnte, war dem iranischen Beitrag im Rennen um den Goldenen und die Silbernen Bären große Aufmerksamkeit sicher. Doch auch wenn man diesen «Solidaritäts-Bonus» abzieht, bleibt ein starkes Stück Kino.

Farhadi erzählt von einem Mittelstands-Paar mit Tochter. Als Simin die Scheidung einreicht, stellt ihr Mann Nader eine aus einer armen, religiösen Familie stammende Pflegehelferin für den Alzheimer kranken Großvater ein. Doch diese vernachlässigt den alten Mann. Als Nader das erfährt, kommt es zum Eklat - ein Film fast wie ein Krimi.

Als letzter Film stand am Freitag das Blutrache-Drama «The Forgiveness Of Blood» von Joshua Marston (USA) auf dem Programm. Sehr beklemmend erzählt Marston («Maria voll der Gnade») von der fast ausweglosen Situation eines Teenagers in Albanien, dessen Familie in eine in dem Land bis heute praktizierte Rache-Fehde verwickelt ist.

Chancen auf eine Berlinale-Trophäe könnten auch zwei recht sperrige, aber wirkungsvolle Filme haben. Trotz handlungsarmer 146 Minuten in Schwarz-Weiß faszinierte viele Zuschauer das existenzielle Fragen verhandelnde Werk «The Turin Horse» von Ungarns Regie-Altmeister Béla Tarr. Bären-Chancen hat auch die gebürtige Argentinierin Paula Markovitch mit «El Premio» (Der Preis) - einer autobiografisch inspirierten Geschichte über eine Kindheit zu Beginn der Militärdiktatur in Argentinien.

Als Darstellerin der siebenjährigen «El Premio»-Heldin Ceci hätte eigentlich Paula Galinelli Hertzog den Silbernen Bären als beste Schauspielerin verdient. Konkurrenz hat sie in der Britin Vanessa Redgrave, die in Ralph Fiennes Shakespeare-Drama «Coriolanus» die Mutter des Titelhelden gibt.

Fiennes als Feldherr Coriolanus kommt als Anwärter für den Preis als bester Schauspieler ebenso infrage wie Hollywoodstar Kevin Spacey als Investmentbanker im US-Thriller «Margin Call». In dem russischen Tschernobyl-Drama «An einem Samstag» beeindruckte der Hauptdarsteller Anton Shagin als junger Parteikader, der früh von der Reaktorkatastrophe erfährt und dann doch nicht flüchtet. Aber auch der deutsche Schauspieler August Diehl gilt als Bären-Anwärter: Er spielt in Andres Veiels «Wer wenn nicht wir» den Schriftsteller Bernward Vesper, den Verlobten der späteren RAF-Terroristin Gudrun Ensslin. (Quelle: Berlin (dpa/lby))