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Ein fortschreitender Machtverfall

New postby Thomas » Mon 29. Aug 2011, 19:02

Der vermeintlichen Einsicht, das Ende Gaddafis anfänglich falsch kommentiert zu haben, folgt ein großes Aber. Westerwelles erzwungener Selbstkorrektur folgt die Selbstbehauptung eines Zwangscharakters. Die Probleme der FDP bestehen fort.

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Der politische Kalender meint es nicht gut mit Guido Westerwelle. Bereits im Frühjahr, kurz nach der deutschen Enthaltung im UN-Sicherheitsrat zur Militäraktion gegen Libyen, stand das Nato-Außenministertreffen in Berlin an - und der deutsche Ressortchef stand im Kreise seiner Kollegen als Kriegsdienstverweigerer im Abseits des Geschehens.

Nun, nach dem Zusammenbruch des Gaddafi-Regimes, fügt es sich, dass der Außenminister am Montag die Leiter der deutschen Auslandsvertretungen zur Botschafterkonferenz an die Spree geladen hat und der französische Außenminister Alain Juppé die Tagung, die sich passenderweise das Thema „Deutschland in den Vereinten Nationen“ gesetzt hat, eröffnet. Mit keinem anderem seiner Außenministerkollegen war der Deutsche im Frühjahr in der Libyen-Frage so aneinandergeraten wie mit dem Franzosen.

Westerwelle steht unter Strom. Am Wochenende war bekannt geworden, dass dem FDP-Vorsitzenden Philipp Rösler in der vergangenen Woche der Geduldsfaden gerissen war und er seinen Vorgänger im Parteiamt gedrängt hatte, seine rechthaberische Rhetorik aufzugeben, wonach weniger der Militäreinsatz als die Sanktionen Gaddafi zu Fall gebracht hätten. Spät aber nicht zu spät, wie es in der Partei hernach hieß, habe Westerwelle nachgegeben.

Demonstrativer Applaus: Wie lange hält er sich noch?

Nun steht er im Weltsaal des Auswärtigen Amtes und wiederholt seine Formulierung vom Wochenende, die ihm Rösler abverlangte: Er sei froh, dass das Gaddafi-Regime am Ende sei. Und: „Gerade, weil wir die Chancen und Risiken anders abgewogen haben, gilt nun der Respekt Frankreich und den Verbündeten bei der Durchsetzung der Sicherheitsrat-Resolution 1973“. Die Diplomaten applaudieren kräftig, ganz so, als wollten sie wie befreit sagen: Warum nicht gleich so?

Als kurz darauf Juppé sagt, „nur die militärische Intervention hat ein wirkliches Blutbad in Libyen verhindert“, klatschen einige Anwesende wie zum Protest gegen den eigenen Chefdiplomaten. Der Franzose belässt es dabei, erwähnt ansonsten die vielen Gemeinsamkeiten mit Westerwelle, mit dem ihn inzwischen ein „vertrauensvolles, ja freundschaftliches Verhältnis“ verbinde.

Diplomaten sind gemeinhin loyal, öffentliche Lästereien gegen ihren Minister verbieten sich. Was man am Werderschen Markt wirklich über Westerwelle denkt, ließ lange Zeit nur die Lektüre von Leserbriefen pensionierter Diplomaten erahnen. Inzwischen aber ist der Verfall des Systems Westerwelle soweit fortgeschritten, dass die Herren und Damen Botschafter sich keine besondere Mühe mehr geben, mimisch zu verbrämen, was sie von dem Mann halten, der Deutschland und das Auswärtige Amt nach Meinung vieler beschädigt hat. Was in den Konferenzpausen bei einer Tasse Kaffee das bestimmende Thema ist, liegt auf der Hand: Wie lange hält er sich noch?

Schwieriges Kommunikationsmanagement

Die Indikatoren des fortschreitenden Machtverfalls Westerwelles häufen sich: Am Montag sagte Generalsekretär Christian Lindner eine Pressekonferenz aus terminlichen Gründen kurzfristig ab, ganz so wie es im Mai die damalige Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger tat - kurz bevor sie gestürzt wurde. Offenbar fürchtete Lindner, die Lage zu verschärfen, ganz gleich, was er zur Zukunft Westerwelles sagen würde. Der Schritt verdeutlicht, dass die Partei die Kommunikation im Fall ihren strauchelnden Außenministers nicht mehr beherrscht. Am Samstag schon hatte sich dessen Staatsminister Werner Hoyer in dier Frankfurter Allgemeinen Zeitung mit einem außenpolitischen Beitrag zu Wort gemeldet, der sich vor allem dadurch auszeichnete, dass der Name Westerwelle darin nicht vorkam. (Siehe auch: F.A.Z.-Gastbeitrag von Werner Hoyer: Ein anderes „mission statement“)

Kurz vor dessen Sturz als Parteivorsitzender hatte sich die freidemokratische „Boygroup“ aus Rösler, Lindner und Daniel Bahr an selbiger Stelle zu Wort gemeldet - ebenfalls ohne den langjährigen Vorsitzenden zu erwähnen. Das Verhältnis Hoyers zu Westerwelle ist von der gleichen Qualität, wie das der Parteiführung zum Außenminister, von der es nun allen Rücktrittsdementis zum Trotz heißt: Das Tischtuch ist zerrissen. Hoyer hatte, als er 2009 nach elf Jahren zum zweiten Mal zum Staatsminister berufen wurde, offenbar die Hoffnung, er könne unter dem außenpolitisch unerfahrenen Westerwelle quasi als geschäftsführender Minister fungieren. Westerwelle reagierte auf diese Anmaßung empfindlich und stellte ihn kalt.

Doch treiben Hoyer wohl nicht nur offene Rechnungen. Man könnte ihm, der einst mit Westerwelle die Jungen Liberalen gründete und die Partei so gut wie dieser kennt, unterstellen, mit seinem Beitrag Rösler daran erinnern zu wollen, dass dieser für den Fall der Fälle durchaus über einen gestandenen Außenpolitiker verfügte.

Ein Grund dafür, dass Rösler Westerwelle im Frühjahr nur den Parteivorsitz, nicht aber das Ministeramt nahm, war nämlich die dünne außenpolitische Personaldecke der Partei Hans-Dietrich Genschers: Dirk Niebel, der Mann, der hemdsärmelig und durchaus erfolgreich im verkrusteten Entwicklungsministerium aufräumt, gilt als zu undiplomatisch. Dem Europapolitiker Alexander Graf Lambsdorff fehlt die parteipolitische Hausmacht. Und Wolfgang Gerhardt gilt als Mann von gestern. Das sagen einige zwar auch über den bald 60 Jahre alten Hoyer. Doch könnte das Kalkül der Parteiführung am Ende lauten: Mit dem grundsoliden, aber wenig charismatischen Hoyer könnte die FDP wenn schon keine Trendwende so doch zumindest eine Stabilisierung gelingen.

Einem solchen Kalkül müssen die Beteuerungen der Parteizentrale, es gebe keinen Plan, Westerwelle als Außenminister abzulösen, nicht widersprechen. Würde Rösler Westerwelle vor oder eher nach den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin offen zum Rücktritt drängen, könnte dem neuen Vorsitzenden womöglich vorgeworfen werden, er suche einen Sündenbock für die (sich abzeichnenden) Wahlniederlagen. Würde Westerwelle aber durch widersprüchliche Signale aus der Parteizentrale mürbe gemacht und schmisse entnervt hin, könnte die Parteiführung den Schritt pflichtschuldigst bedauern und ihm Respekt zollen - was man halt so macht, in solchen Situationen. Dazu passt, dass sich Mitglieder der Bundesregierung die Frage stellen, warum sich Westerwelle „dies“ noch antue - und für die Kolportage dieser Gedanken sorgen.

Selbstbehauptung eines Zwangscharakters

Westerwelle selbst gebärdet sich in dieser Situation ganz so wie vor seinem Sturz als Parteivorsitzender. Meldungen, er erwäge einen Rücktritt, seien frei erfunden, teilt das Auswärtige Amt mit. Er selbst umgeht Nachfragen dazu. Die Botschafterkonferenz nutzt er, um eine seiner vielen Grundsatzreden zu halten, die es jedermann recht machen: Deutschland sei bereit Verantwortung zu übernehmen, als ultima ratio auch in Militäreinsätzen, doch bleibe es bei der „Kultur der Zurückhaltung“. Deutschland pflege seine bewährten Partnerschaften, werde aber mit den neuen Kraftzentren der Welt - er meint China, Russland und andere - weitere gründen: „Das ist kein Bruch mit Bewährtem, sondern die zwingende Fortentwicklung in einer sich verändernden Welt“.

Der vermeintlichen Einsicht, das Ende Gaddafis anfänglich falsch kommentiert zu haben, folgt so ein großes Aber. Westerwelles erzwungener Selbstkorrektur folgt die Selbstbehauptung eines Zwangscharakters. Die Probleme der FDP bestehen fort.
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