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Ägypten: Jetzt auch Militär in Touristengebieten

Unread postMessage posted...: Sun 30. Jan 2011, 13:32
by Thomas
Nach den heftigen Protesten der vergangenen Tage hat sich die Lage in der ägyptischen Hauptstadt Kairo am Sonntag etwas beruhigt.

Medienberichten zufolge gab es auf den Straßen des Stadtzentrums, wo am Vortag erneut Zehntausende gegen Präsident Husni Mubarak demonstriert hatten, keine größeren Zwischenfälle. Das Militär zeigte mit Panzern weiter sichtbare Präsenz, Soldaten fuhren Patrouillen.

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Zunehmend zu schaffen machen den Menschen Plünderer- und Räuberbanden, die bis in den späten Abend hinein durch die Stadt zogen. Teilweise stellten sich ihnen Bürgerwehren entgegen.

Die Zahl der Getöteten ist am Sonntag nach Medienberichten auf mindestens 150 gestiegen. Neue Tote habe es seit der vergangenen Nacht vor allem in mehreren Gefängnissen außerhalb Kairos gegeben, aus denen Häftlinge ausbrachen, wie arabische Nachrichtensender weiter berichteten.

Mittlerweile rückte das Militär auch in Teile der Touristenhochburg Scharm el Scheich am Roten Meer und in Al-Arisch im Norden der Sinai-Halbinsel ein.Das berichteten Augenzeugen und Sicherheitskreise auf dem Sinai. Scharm el Scheich ist bei vielen deutschen Urlaubern beliebt. Die Lage dort blieb am Wochenende ruhig.

Angesicht der unsicheren Lage versuchen Hunderte Ausländer, Kairo zu verlassen. Selbst Familien, die schon seit Jahrzehnten in dem nordafrikanischen Land leben, suchen das Weite, wie Korrespondenten der Nachrichtenagentur dpa in Kairo erfuhren.

«Bei uns im Viertel wurde letzte Nacht wieder geschossen, ich habe ein kleines Kind, ich will jetzt hier raus», sagte die Österreicherin Gisela Fritz, die seit 20 Jahren in Ägypten lebt. Sie wollte noch im Tagesverlauf mit ihrem Sohn zum Flughafen fahren.

Wie von Deutschen in Kairo zu erfahren war, können Angehörige von Mitarbeitern deutscher Institutionen in Ägypten mit Hilfe der Botschaft Plätze auf Lufthansa-Flugzeugen buchen.

Vor Ort hieß es auch, die deutsche Botschaft, die von innen von eigenen Sicherheitskräften und von außen von ägyptischer Polizei geschützt wird, wolle ihre Sicherheitsvorkehrungen verstärken und zusätzliches Personal aus Deutschland einfliegen. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes in Berlin erklärte dazu, darüber werde im Tagesverlauf beraten und entschieden.

Bei den Unruhen in Ägypten flohen Tausende Häftlinge aus den Gefängnissen. Darunter sind auch Schwerverbrecher und islamistische Extremisten. Nach Informationen des lokalen Fernsehens gelang es allein im Gefängnis Abu Saabel, außerhalb Kairos, ungefähr 6000 Gefangenen die Flucht. Ein weiterer Gefangenenausbruch wurde aus dem Zentralgefängnis in der Oasenstadt Fajum südlich von Kairo gemeldet. Dort sollen die Häftlinge einen Polizeigeneral getötet und einen weiteren General verschleppt haben.

Trotz Ausgangssperre wurden bis zum späten Abend Ausschreitungen und Plünderungen aus Kairo gemeldet, an vielen Orten waren Schüsse zu hören. In den Wohnvierteln der Hauptstadt, wo das Militär nicht in Stellung gegangen war, organisierten sich Bewohner in Bürgerwehren, um sich gegen Plünderer zu schützen.

Wie Klinikärzte mitteilten, wurden auch Krankenhäuser von Kriminellen angegriffen. Eine Kinderkrebsklinik sei überfallen und von Plünderern ausgeraubt worden. In einem Krankenhaus im Kairoer Bezirk Abbasija hätten Ärzte Molotowcocktails hergestellt, um das Hospital verteidigen zu können. Das ägyptische Staatsfernsehen zeigte am Abend erstmals Bilder von Dutzenden von Männern, bei denen es sich um festgenommene Plünderer handeln soll. Sie sollen vor Militärgerichte gestellt werden.

Die ägyptische Armee hatte Bürger am Samstag über die Mobilfunknetze aufgefordert, die bis Sonntag 0800 Uhr (0700 MEZ) geltende Ausgangssperre einzuhalten. Sonst drohten «scharfe Maßnahmen», hieß es in einer SMS, die an alle Mobilfunkkunden verbreitet wurde.

Deutschland, Frankreich und Großbritannien riefen die ägyptische Regierung und die Demonstranten zum Gewaltverzicht auf. In einer gemeinsamen Erklärung forderten Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und der britische Premierminister David Cameron den 82-jährigen Mubarak auf, einen Transformationsprozess einzuleiten hin zu einer «Regierung, die sich auf eine breite Basis stützt, sowie freien und fairen Wahlen».

Mubarak hatte am Samstag eine neue Führungsriege gebildet, in der Geheimdienst und Militär dominieren. Er ernannte Geheimdienstchef Omar Suleiman am Samstag zu seinem Stellvertreter. (Quelle: Kairo (dpa/lby))