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Hariri-Mordanklage rückt näher: Spannung im Libanon

Unread postMessage posted...: Sat 15. Jan 2011, 00:08
by Thomas
Nach dem Kollaps der Regierung wächst im Libanon die Angst vor Gewalt. Alle Augen sind auf das Sondertribunal in Den Haag gerichtet, das die Mörder des libanesischen Ex-Regierungschefs Rafik Hariri zur Rechenschaft ziehen soll.

Die Gefahr blutiger Auseinandersetzungen im Libanon wächst.

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Trotz des Zusammenbruchs der Regierung in Beirut halten UN-Ermittler an einer baldigen Anklageerhebung gegen mutmaßliche Drahtzieher des Bombenattentats fest, dem der frühere Regierungschef Rafik Hariri und 22 weitere Menschen 2005 zum Opfer gefallen waren. Das verlautete am Freitag am Rande einer Anhörung des Sondertribunals für den Libanon (STL) aus diplomatischen Kreisen in Den Haag. Ein früherer General des libanesischen Sicherheitsdienstes warf der Staatsanwaltschaft beim STL Manipulation von Beweismitteln vor.

Zuvor hatte die pro-iranische Schiitenbewegung Hisbollah vor Konsequenzen gewarnt, sollte auch nur eines ihrer Mitglieder vor dem «israelisch-zionistischen» Tribunal beschuldigt werden, an der Ermordung Hariris beteiligt gewesen zu sein. Die Hisbollah hatte am Mittwoch ihre Minister aus der Regierung in Beirut zurückgezogen, weil sich Ministerpräsident Saad Hariri weigerte, die Zusammenarbeit mit dem Sondertribunal zu beenden.

Der Sohn des ermordeten Rafik Hariri kehrte derweil von einer Auslandsreise zurück. Auf Bitten von Staatspräsident Michel Suleiman leitet er bis zur Bildung einer neuen Regierung ein Interimskabinett. Er hatte in Washington mit Präsident Barack Obama gesprochen. Die USA bekräftigten ihre Unterstützung für das Tribunal. Dessen Arbeit sei «ein unumstößlicher internationaler juristischer Prozess, der mit Recht und nicht mit Politik zu tun hat», erklärte die US- Botschafterin in Beirut, Maura Connelly, am Freitag.

Nach Einschätzung von Diplomaten in Den Haag könnte die möglicherweise explosive Anklageschrift in den kommenden Tagen eingereicht werden. Allerdings können dann noch etliche Wochen vergehen, ehe offiziell Beschuldigungen bekanntgegeben werden. Erst müssen Richter des STL das Beweismaterial prüfen und über eine Zulassung der Anklage entscheiden.

Derweil warf Dschamil al-Sajjid, Ex-General des libanesischen Sicherheitsdienstes, der Staatsanwaltschaft vor, mit «falschen Zeugenaussagen» gearbeitet zu haben. Er hatte vier Jahre lang als Verdächtiger in Untersuchungshaft gesessen. Die Anklagevertretung weigere sich bis heute, Ermittlungsakten an ihn herauszugeben, sagte Al-Sajjid am Freitag bei einer Anhörung vor dem STL.

Mit den Unterlagen hofft er, eine «Verschwörung» gegen sich sowie die libanesische Schiitenbewegung Hisbollah und Syrien entlarven zu können. Al-Sajjid und drei weitere libanesische Ex-Generäle waren im April 2009 mangels Beweisen freigelassen worden. Sie waren auf Veranlassung des deutschen Staatsanwalts Detlev Mehlis verhaftet worden, der 2005 UN-Ermittlungen im Hariri-Fall leitete.

Die Staatsanwaltschaft erwiderte, die Vorhaltungen Al-Sajjids entbehrten jeder Grundlage. Die Akten müssten zum Schutz von Zeugen in einer sensiblen Terrorismus-Ermittlung geheimbleiben, argumentierte Staatsanwalt Ekkehard Withopf als Vertreter von STL- Chefankläger Daniel Bellemare. Daher könnten Ermittlungsakten keinesfalls insgesamt, sondern höchstens auszugsweise übergeben werden. Die Tribunal prüft nun die Argumente beider Seiten. (Quelle: Den Haag/Beirut (dpa/lby))