Page 1 of 1

Linke-Chefin Lötzsch tritt überraschend zurück

Unread postMessage posted...: Thu 12. Apr 2012, 02:03
by Thomas
Nach dem überraschenden Rücktritt von Linke-Parteichefin Gesine Lötzsch wegen der schweren Erkrankung ihres Mannes wird der Ruf nach einem Comeback von Oskar Lafontaine immer lauter. K

urz vor den wichtigen Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen im Mai werden aber auch Vize-Fraktionschef Dietmar Bartsch und die stellvertretende Parteivorsitzende Sahra Wagenknecht als neues Führungsduo gehandelt. Die Entscheidung soll wie geplant auf dem Bundesparteitag Anfang Juni in Göttingen fallen. Bis dahin führt Co-Parteichef Klaus Ernst die Linke alleine.

Lötzsch erklärte am späten Dienstagabend, ihre familiäre Situation lasse eine häufige Abwesenheit von ihrem Wohnort Berlin nicht mehr zu. Bundestagsabgeordnete wolle sie aber bleiben. Am Mittwoch ergänzte sie, ihr Mann sei «altersbedingt erkrankt» und musste am 31. März in die Notaufnahme eines Berliner Krankenhauses gebracht werden. Sie habe deshalb bereits mehrere Wahlkampftermine in Schleswig-Holstein abgesagt. Lötzsch führt die Linke seit Mai 2010 zusammen mit Ernst. Dieser bedauerte den Rücktritt. «Wir haben in einer schwierigen Zeit vertrauensvoll und mit gegenseitigem Respekt zusammengearbeitet. Dafür danke ich ihr», erklärte er.

Im Herbst hatte Lötzsch angekündigt, wieder für den Parteivorsitz kandidieren zu wollen. Welche Frau ihren Posten übernehmen wird, ist offen. Laut Satzung muss der Parteispitze mindestens eine Frau angehören. Ob ihr Co-Vorsitzender Ernst noch einmal ins Rennen geht, ist ebenfalls unklar. Ernst mahnte, keine Personalentscheidungen vor den beiden Landtagswahlen zu treffen. Der Vize-Fraktionschef der Linkspartei, Ulrich Maurer, erwartet, dass Ex-Parteichef Lafontaine wieder für den Parteivorsitz antritt. «Wer ihn kennt, der weiß, dass er sonst längst nein gesagt hätte», sagte Maurer dem RBB-Inforadio.

Dagegen setzt Thüringens Linke-Fraktionschef Bodo Ramelow auf Sahra Wagenknecht. «Die Idealkombination für den Parteivorsitz wäre für mich Wagenknecht und Dietmar Bartsch», sagte Ramelow der Nachrichtenagentur dpa. Ähnlich äußerte sich Sachsens Linke-Chef Rico Gebhardt. Ramelow erklärte, für die Bundestagswahl wäre ein Gespann aus Lafontaine und Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi als Spitzenkandidaten seine Wunschvorstellung. «Es sind aber auch viele Zwischenvarianten denkbar.» Lafontaine, der heute Linke-Fraktionschef im Saarland ist, hält sich bislang zu seinen Plänen bedeckt.

Der Vize-Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch, der als bisher einziger Mann eine Kandidatur für den Parteivorsitz angekündigt hat, wollte Lötzschs Schritt nicht bewerten: «Die Entscheidung von Gesine Lötzsch ist zu respektieren, nicht zu kommentieren.» Die SPD sieht die Linkspartei nun vor einem Existenzkampf. «Nichts ist so schwach wie eine Idee, über die die Zeit hinweggegangen ist. Weder Lafontaine noch Wagenknecht werden den Niedergang der Linkspartei aufhalten», sagte der Parlamentarische SPD-Geschäftsführer Thomas Oppermann.

Der Direktor der Stasiopfer-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, begrüßte den Rücktritt. «Ich hoffe, dass die Zeit der DDR- und Kommunismusverklärung durch die Linke damit endlich ein Ende hat. Für die Opfer der SED-Diktatur war Frau Lötzsch eine Zumutung.»

Das Führungsduo Lötzsch/Ernst war in der Partei umstritten. Viele machten die beiden für Schlappen bei den Landtagswahlen, sinkende Umfragewerte und Mitgliederschwund verantwortlich. Zahlreiche Affären kennzeichneten die zweijährige Amtszeit. So brach Lötzsch zum Auftakt des Superwahljahres 2011 eine Kommunismus-Debatte vom Zaun, die der Linken viel Kritik einbrachte. Es folgten Debatten über die Bewertung des DDR-Mauerbaus, die Haltung zu Israel und ein Geburtstagsschreiben an den kubanischen Revolutionsführer Fidel Castro.

Lötzsch ist seit Ende der 80er Jahre mit dem heute 80-jährigen Sprachwissenschaftler Ronald Lötzsch verheiratet. Die Ost-Berlinerin war von 1984 bis 1990 Mitglied der DDR-Staatspartei SED, aus der dann die Linke-Vorläuferin PDS hervorging. Nach der Wiedervereinigung gehörte Lötzsch von 1991 bis 2002 dem Berliner Abgeordnetenhaus an. Im Oktober 2002 zog sie in den Bundestag ein.